Badewannengedanken

Mittwoch, 30. November 2011

Wo fängt Stalking an?

Vor vielen Jahren schickte mir ein Freund einen Link zu einem Artikel über Stalking. Es war halb als Witz, halb als Warnsignal gemeint. Ich war gerade mal wieder ziemlich verschossen (in einen Kommilitonen) und in diesem typischen Detektiv-Modus, in den ich dann verfalle. Neben dem Üblichen, wie seinen Namen zu googlen - was bei einem Allerweltsnamen meistens kaum zu Ergebnissen führt - hatte ich im Laufe der Zeit Teile seines Stundenplans herausgefunden. Ich wusste also zu bestimmten Zeiten, wann er in welchem Seminarraum sein würde, an welchen Tagen er in der Mensa sein würde und dass er, falls er in unserem Lieblingsclub auftauchen würde, immer ungefähr zu einer bestimmten Zeit ankommen würde. Ich nutzte dieses Wissen, um ihn so oft wie möglich zu sehen. Einmal habe ich sogar von einer Seminargruppe in eine andere gewechselt, um anderthalb Stunden mit ihm im selben Raum sein zu können.

Mein Kumpel meinte, das wäre schon fast Stalking, was ich da betreiben würde. Für mich war es einfach nur ein System, mit dem ich mir meine regelmäßige Dosis an M.-Sichtungen erhalten konnte.

Je weiter die Entwicklung des Web2.0 fortschreitet und je mehr die Menschen es nutzen, desto ausgeklügelter und erfolgreicher werden solche "Detektiv"-Spiele natürlich. Wenn ich einen Typen toll finde, dann wird heute nicht mehr nur einfach der Name gegooglet. Es gibt ja noch Facebook, Twitter, Xing, Linkedin, Google+ und YouTube. Jede kleine Information, die ich bekomme, wird verwendet. Meine Google-Search-History enthält soviele Kombinationen von - z.B. - Buttons Namen plus seiner Stadt, seiner ehemaligen Uni, seiner ehemaligen Grundschule (die weiß ich von seinem Facebook-Profil) oder den Namen seiner Freunde, dass ich hoffe, dass er nie die Gelegenheit hat, an meinem Rechner im Internet zu surfen.

In Buttons speziellem Fall geht das ganz schön weit. Sein Facebook-Profil ist ziemlich gut geschützt. Obwohl wir dort befreundet sind, bekomme ich nur wenige Einblicke. Dafür habe ich jedes einzelne seiner ehemaligen Profilbilder alleine und gemeinsam mit Freundinnen bis ins letzte analysiert, kenne zwei Videos, die er gepostet hat, auswendig, weiß inzwischen ziemlich genau, wo er wohnt und wer seine engsten Freunde sind. Ich habe die Profile einige seiner Freunde auf Facebook und Xing gesehen und ich habe, als wir eine neue Kollegin bekamen anhand ihres Namens erkannt, dass sie mit Button befreundet ist. Ich habe einen Ordner auf meinem Laptop, der Bilder von Button enthält - teilweise von den Profilen seiner Freunde, teilweise von Firmenfeiern. Ja, ich bin obsessiv.

Auf einer Party am Wochenende habe ich mich mit besagter Kollegin unterhalten und seitdem sind auch wir auf Facebook befreundet. Ich fand sie sehr nett, aber ein Teil meiner Intention war auch, noch mehr über Button zu erfahren.

Ist das nun Stalking? Hat Stalking nicht auch immer etwas mit Übergriffen in irgendeiner Form zu tun? Subjektiv betrachtet bin ich einfach ein wenig Button-süchtig und versuche außerdem, durch das Zusammentragen von Informationen über ihn herauszufinden, ob meine Faszination berechtigt ist und wir eventuell doch gemeinsames Potenzial haben. Objektiv betrachtet bin ich eine Beobachterin, eine Sammlerin. An keiner Stelle mische ich mich in sein Leben ein oder beschatte ihn weiter als über die Grenzen, die Social Media und seine Sicherheitseinstellungen mir setzen. Er hat keine Ahnung, wie viel ich über ihn weiß, das stimmt wohl. Und mein Verhalten ist sicherlich over the top. Aber ist das schon Stalking oder nicht einfach nur die Fortsetzung der typischen Teenie-Schwärmereien mit den technischen Mitteln von heute?

Dienstag, 22. November 2011

Little Sister

Manchmal hat man nachts die klarsten Gedanken und da ich gerade auf eine Goldader gestoßen bin, muss das jetzt einfach schnell noch raus, bevor ich schlafen gehe. Morgen finde ich es vielleicht schon wieder zu weit hergeholt. - Vorsicht, das wird länger...

Meine ursprüngliche Überlegung war, dass meine Exfreunde genau eine Gemeinsamkeit haben: Sie sind die kleinen Brüder von irgendwem und bis auf einen Nachzügler-Halbbruder sind sie die Nesthäkchen in ihrer Familie. Sogar Big ist kleiner Bruder. Merkwürdig, dachte ich und ging die Reihe an Männern durch, für die ich im Laufe meines Lebens mal intensivere Gefühle hatte und Bingo! Jeder einzelne von Ihnen war der kleine Bruder (und zwar meistens der einer großen Schwester). Bis auf einen, der einen Zwillingsbruder hat, aber Ausnahmen bestätigen nunmal die Regel. Und einige hatten sowohl kleine, als auch große Geschwister, gehörten aber in der Familiendynamik zu den "Kleinen".

Eine weitere Gemeinsamkeit: So gut wie jeder von ihnen ist entweder wahnsinnig intelligent und/oder gebildet und/oder ehrenamtlich engagiert und/oder auf einem künstlerischen Gebiet talentiert. Alle zeichnet irgendetwas aus. Viele von ihnen sind zudem so etwas wie das "schwarze Schaf" ihrer Familie (oder trifft das allgemein eher auf die kleinen Geschwister zu?).

Ähnlich sieht es in meinem engeren Freundeskreis aus: Bis auf eine große Schwester und ein Einzelkind (die liebe Phae) sind alle meine nahen Freunde die kleinen Geschwister - so wie auch ich.

Meine Kindheit war eigentlich sehr schön, idyllisch, mit heiler Familie in halbwegs unberührter Natur. Ich war das verhätscheltelte Nesthäkchen und musste nie soviel mithelfen wie mein Bruder. Ich war kränklich und blieb dadurch oft von Gartenarbeit verschont (was ich lernte, auszunutzen). Ich wurde mit dem Auto zur Schule gefahren, mein Bruder fuhr mit dem Rad.

Vielleicht spielte es eine Rolle, dass meine Mutter vor mir eine Fehlgeburt hatte (relativ spät in der Schwangerschaft) und meine Eltern sehr lange auf mich gewartet hatten. Mein Bruder spielte jedenfalls sehr früh den Erwachsenen ("Wenn die dich schon nicht erziehen, dann muss ich es eben tun.") und ich blieb immer die Kleine.

Es war immer schwierig zwischen meinem Bruder und mir, solange er noch zuhause wohnte (also bis ich 14 war). Ich wollte dabei sein, wenn er etwas mit seinen Freunden machte und er wollte mich abschütteln. Ich saß vor derm Fernseher und sah meine Lieblingsserien und er kam rein, schaltete um und durchforstete den Videotext nach Sportergebnissen. Fast täglich haben wir uns gestritten, ab und zu wurde es handgreiflich. Ich war eine ziemliche Nervensäge und wir beide fahren ziemlich schnell aus der Haut.

Mein Bruder war immer gut in der Schule, sogar in Sport. Eigentlich hat er alles immer gut und richtig gemacht. Ich war auch gut in der Schule, außer in Sport und allem, was mit motorischen Fähigkeiten zu tun hatte. Und ich war weniger fleißig und ehrgeizig als er. Vielleicht war mir klar, dass ich nie so gut sein würde und ich hab es deswegen gar nicht erst versucht.

Als er aber in der 9. Klasse mit Klassenkameraden eine Schülerzeitug aus der Taufe hob und abends beim Essen davon berichtete, sagte ich: "Ja, das machen wir auch." Am nächsten Tag organisierte ich es in meiner Schule (3. Klasse!) und ein paar Wochen später gab es die erste Ausgabe. Als ich auf sein Gymnasium wechselte, wurde ich Teil der Redaktion seiner Zeitung und blieb es bis zum Abitur.

Zwischendurch habe ich mich in einigen Sachen ausprobiert - Klavier spielen, Theatergruppe... Dabei geblieben bin ich bei der Schülerzeitung und beim Computer (ab 14 Jahren dem Internet) - zwei Dingen, die mein Bruder auch machte.

Ich bin jetzt 28 und ich merke immernoch, wie ich in meiner Familie als die Kleine behandelt werde. Weniger von meinem Bruder, der mich inzwischen als gleichwertig und gleichberechtigt behandelt, als von meinen Eltern. Ich habe nie richtig rebelliert, mich nie richtig abgenabelt (es gab keinen wirklichen Grund, keine harten Konflikte, keine strikten Verbote). Und so mache ich heute noch oft, was meine Eltern mir sagen oder fahre sofort meine Stacheln aus, wenn sie mir Predigten halten oder meinen, etwas besser zu wissen. Ich stecke immernoch in der Pubertät.

Dieses Sich-beweisen-müssen, das steckt in mir drin. Das mache ich in allen sozialen Kontexten und auch auf der Arbeit. Immer muss ich zeigen, was ich kann und dass ich etwas besser kann als die anderen (Zum Glück habe ich ein paar Talente mitbekommen - eine rasche Auffassungsgabe, ein Gefühl für Sprache und die Fähigkeit, Prozesse effizient zu gestalten und zwischen verschiedenen Seiten zu vermitteln - Was wäre ich wohl für ein Wrack sonst?)

Und ich möchte immernoch bei den großen Kindern mitspielen, suche den Kontakt zu den Organisatoren, möchte die Hintergründe kennen und dabei sein, wenn Entscheidungen getroffen werden. Aus demselben Grund fasziniert es mich, "Berühmtheiten" zu treffen und privat kennenzulernen. Seien es nun lokale Berühmtheiten, Bloggergrößen oder Musiker. Ich finde es toll, "backstage" zu sein und muss im gleichen Atemzug der Welt berichten, dass ich es bin, dass ich zum inneren Kreis dazugehöre.

Und scheinbar wirkt sich das Kleine-Schwester-Syndrom auch auf mein Liebesleben aus: Ich will mich nicht unterbuttern lassen, mag nicht "die Kleine" sein. Meine Männer sind allesamt kleine Brüder, denn bei einem großen Bruder hätte ich Angst, wieder in die alte Rolle zu verfallen. Ich bin ein Settler, möchte aber ein Reacher sein und wähle daher von den kleinen Brüdern die, die ich bewundern kann. Ich fördere sie und hänge mich an sie ran und sonne mich in ihrem Licht, ohne gleichzeitig Gefahr zu laufen, neben ihnen zu verblassen.

Was dann passiert ist, dass sie mich für stark und unabhängig halten, für eine große Schwester, die auf sie aufpasst. Und dann werden sie schwach und klein und wir leben uns auseinander. (Die Ausnahme: Big. Der wird nie klein sein neben mir, aber wir waren auch nicht lange genug zusammen, um diesen Zustand zu erreichen.)

Jedes Mal das gleiche Lied. Ich frage mich, ob ich vielleicht mein Leben soweit auf die Reihe kriegen muss und gefestigt genug sein muss, um mich mal an einen großen Bruder zu wagen, damit es mit der Liebe klappt. Oder gar ein Einzelkind? (Auch davor schrecke ich zurück). Oder ist das alles Schwachsinn und Zufall?

Bin für Meinungen dankbar und verbleibe bis dahin - die kleine Schwester.

Phae und Huckleberry

...erzählen alles, was man nur anonym ins Netz bloggen kann - Weil es um Menschen geht, die uns wichtig sind; weil es Dinge sind, die niemand, den wir kennen, wissen soll. Und weil manches einfach raus muss aus uns und hinein in die Welt.

Phae

muss erst mal gucken, was hier hingehört. Mittelkleingroße Großstadt, Fahrradfahren, Internet. Gesang und Hochschulpolitik, Ohrringebasteln, Ponyschneiden, Wimperntuschen, Geschlechtsstereotype dekonstruieren. Kiezkult und Spazierengehen, WGKüchentischgespräche, Popkultur. Und alles ändert sich mal wieder, wie immer.

Huckleberry

28, Großstadt, Vollzeitjob, eigene Wohnung. Web2.0-Enthusiastin, Bücherwurm, Musikfanatikerin, Filmliebhaberin. Gerade eine dreijährige Beziehung beendet und dabei, die ersten Schritte ins Singleleben zu gehen.

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